Donnerstag, 11. Juli 2013

Beobachtungsobjekt: Der Deutsch-Mensch

Wie allgemein bekannt sein dürfte leben in diesem "unserem" Lande grob über den Daumen gepeilt ca. 80 Millionen Menschen. Die überwältigende Mehrheit davon gehört der Bevölkerungsgruppe der sog. Deutschen, allgemein auch als "BundesbürgerInnen" bekannt und von ihren Politikern bei gegebenen Anlässen bevorzugt "Liebe Wählerinnen und Wähler" genannt, an. Auch wenn sich diese gewaltige Zahl aus verschiedenen "deutschen Volksstämmen" mit speziellen regionaltypischen Sitten und Gebräuchen, vermeintlich eigenen Mentalitäten und mit für den Uneingeweihten teilweise recht seltsam klingenden Dialekten zusammensetzt, so wird diese zahlenmäßig weitaus größte Bevölkerungsgruppe bundesländerübergreifend von einem ganz besonderen Exemplar dominiert: dem Deutsch-Menschen.

Der Deutsch-Mensch als solcher ist wohl eines der rätselhaftesten und in sich widersprüchlichsten Lebewesen überhaupt, das "unseren" Planeten bevölkert. Man könnte beinahe sagen: Es gibt Menschen - und es gibt den Deutsch-Menschen.
Schauen wir uns zur Verdeutlichung einfach mal ein paar charakteristische Besonderheiten dieser Spezies an:
Der Deutsch-Mensch selbst bezeichnet sich zumeist als "ehrlicher, aufrechter/anständiger und hart arbeitender Steuerzahler", wofür er als Kurzbezeichnung auch "braver Bürger" verwendet. Ebenso nimmt er vorwiegend Ehrentitel wie "Normalbürger", "Durchschnittsbürger", "Angehöriger der Mittelschicht" oder, bei individuell innewohnender Bescheidenheit, auch "einfacher Bürger" für sich in Anspruch. Stehen, sitzen oder liegen zwei oder mehr Deutsch-Menschen beisammen, beanspruchen diese als Sammelbezeichnung für sich und ihresgleichen auch "Das Volk". Viel lieber aber noch "Das deutsche Volk".
So ein "braver einfacher Mittelschichtsanstandsbürger" bevorzugt es demzufolge der Einfachheit halber auch, in einer möglichst einfachen Welt zu leben, und zwar in seiner eigenen. In dieser kleinen Welt gibt es nur schwarz und weiß, gut und schlecht bzw. böse, dazwischen gibt es für ihn nichts weiter. Ein "sowohl als auch" lehnt er jedenfalls kategorisch ab. Natürlich ist er selbst und dazu dann noch seine Familie - so er denn eine hat oder sich nicht mit ihr verkracht haben sollte - der absolute Mittelpunkt der Erdkugel und um genau diesen hat sich alles rundherum zu drehen und nicht andersrum.

Als Symbolfigur für den Deutsch-Menschen wird in Karikaturen häufig ein Männchen mit Zipfelmütze benutzt. Nicht ganz zu Unrecht könnte man diese Zipfel- wohl auch als Schlafmütze interpretieren. Die Interpretation von künstlerischen Werken liegt aber eh im ganz persönlichen Auge des jeweiligen Betrachters, also lassen wir die Schlafmütze jetzt einfach mal so im Raum stehen.

Der Deutsch-Mensch zeichnet sich durch die beinahe mit Tränen der Rührung in den Augen praktizierte Anbetung der sowohl weltberühmten als auch selbstgerühmten deutschen Tugenden wie Fleiß, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit, Sauberkeit, Ordnungsliebe und Anständigkeit aus. Die heiligste aller Tugenden aber ist für ihn die vom Schulabgang bis zum Renteneintritt ununterbrochen getätigte Ausübung einer geregelten Arbeit.
Der Deutsch-Mensch erwartet aber auch und gerade von den in "seinem" Land lebenden Nicht-Deutsch-Menschen, dass sie diese vermeintlich typisch deutschen Tugenden noch weitaus stärker zu lieben und zu beherzigen hätten als er selbst. Er selbst hingegen darf bei der praktischen Anwendung dieser Tugenden dann aber hin und wieder schon mal ein bisschen mogeln.

Fährt der Deutsch-Mensch einmal jährlich für 14 Tage zwecks Erholung vom stressigen Arbeitsleben zuzüglich Wiederherstellung seiner Arbeitskraft in den Auslandsurlaub - wegen des in "seinem" Land auch im Sommer oftmals herrschenden ungetrübten Sonnenscheinmangels dann bevorzugt in südlichere Gefilde -, um dort neben Sonne, Sand und Meer ganz nebenbei zur eigenen Horizonterweiterung auch noch andere Menschen samt ihrer landesüblichen Speisen, Mentalität, Kultur und Lebensgewohnheiten kennenzulernen, so legt er gerade dort bei den "Levantinern" strikt seine deutsch-menschlichen Tugendmaßstäbe an.
Nicht selten versucht er dabei unermüdlich, "diese trägen Südländer" zu eben jenen Tugenden zu bekehren: "Bedienung! Da is´n Fleck auf der Tischdecke! Legen Se da mal gefälligst schleunigst ´ne neue auf!", "Also, Herr Portier! Es ist jetzt 10 Uhr und unser Zimmer wurde immer noch nicht sauber gemacht! Das ist ja wohl unerhört/nicht normal, oder was? Bei uns zuhause in Deutschland gibt´s sowas jedenfalls nicht!", "Nu hör´n Se mal ganz gut zu, Sie LadenbetreiberIn: Wenn da steht, um neune wird das Geschäft aufgemacht, dann heißt das gefälligst auch Punkt neune und nich´ 5 nach! Capito?", usw.
Selbstverständlich erwartet der Deutsch-Mensch von seinen Urlaubsgastgebern, dass sie der deutschen Sprache zumindest so weit mächtig sind, dass sie seine Wünsche vollständig und prompt zu erfüllen in der Lage sind. Von ausländischen Touristen, die in "seinem eigenen" Land weilen, erwartet er allerdings ebenfalls die wichtigsten deutschsprachigen Grundkenntnisse. Naja, und das ein Auslandsurlaub ohne traditionelle deutsche Hausmannskost wie Jägerschnitzel mit Pommes, Kartoffelpuffer, Bratcurry und deutsches Bier für den Deutsch-Menschen eigentlich gar kein richtiger Urlaub ist, dürfte sich sowieso von selbst verstehen.

Tief in seinem Inneren ist der Deutsch-Mensch ein eher ängstliches Wesen. So hat er z.B. große Angst vor allem, was ihm fremd erscheint und was er nicht versteht. Manches kann er einfach nicht verstehen, manches will er aber auch gar nicht erst verstehen. Vor allem, was ihm zuhause in diesem "seinem" Land als "fremd" dünkt und auf ihn irgendwie "anders" - also Nicht-deutsch-menschlich - wirkt, hat er mächtig Angst. So empfindet er von daher alles auf ihn selbst "fremd-" und "andersartig" wirkende als enorme Bedrohung für sich und seine kleine überschaubare Welt.
Seine Hauptangst aber ist es, nicht mehr zur Gemeinschaft der Deutsch-Menschen dazu zu gehören. Oder noch schlimmer: Nicht mehr dazu gehören zu dürfen. Hierbei stellt es für ihn die größte aller Schanden überhaupt dar, wenn jemand seines Arbeitsplatzes verlustig geht. Ihm selbst hingegen kann derartiges seiner eigenen felsenfesten Überzeugung nach natürlich niemals passieren - er ist in seinem Betrieb halt unersetzlich - und darum ist aus seiner Sicht jeder Arbeitslose an seinem Schicksal letztlich selber schuld. Das verhält sich in etwa wie mit Krebs, dem plötzlichen Herztod oder Alzheimer: So etwas passiert in seiner Gedankenwelt auch immer nur den anderen - er selbst ist dagegen selbstverständlich vollkommen immun.
Um nun völlig auf Nummer Sicher zu gehen, dass sie genau dieses Arbeitsplatzverlustschicksal plötzlich und unerwartet nicht doch noch ereilen könnte, bedienen sich zahlreiche Deutsch-Menschen einer ganz speziellen sportlichen Übung - dem sog. "Radfahren", also nach oben buckeln und nach unten treten. Auch das inzwischen recht populär gewordene "Mobben" von Arbeitskollegen erfolgt ausschließlich aus reinen Gründen des Selbst- bzw. Arbeitsplatzschutzes heraus. Und somit ist das alles eigentlich ja überhaupt nicht persönlich, gar nicht soooo und vor allem nicht böse gemeint. Und nichts weiter dabei gedacht hat sich Deutsch-Mensch selbstverständlich auch.

Überhaupt fühlt sich der Deutsch-Mensch in seinem Alltagsleben, wohl nicht zuletzt durch besagte ureigenen Ängste mitbedingt, von Feinden umzingelt: Kollegen, Nachbarn, alle anderen Kraftfahrzeugführer, "Ausländer" - Feinde allüberall und rundumher, so weit das deutsch-menschliche Auge nur reicht. Kurzum - der Deutsch-Mensch liebt zwar nicht seine Feinde, aber er liebt es, Feinde zu haben. Er braucht sie einfach. So völlig ohne macht ihm das Leben vermutlich keinen Spaß.

Der Deutsch-Mensch benötigt zum persönlichen Druck-und Frustabbau neben seinen "geliebten Feinden" auch immer wieder Sündenböcke, denen er die Schuld an seinem vermeintlich oder auch tatsächlich viel zu geringem Lohn/Gehalt, den viel zu hohen Preisen und Steuern usw. in die Schuhe schieben kann. Hierbei bevorzugt er in erster Linie Angehörige von Bevölkerungsgruppen, die tagtäglich quasi vor seiner eigenen Haustür anzutreffen und die aus seiner Sicht nicht oder nicht mehr der Deutsch-Menschen-Gemeinschaft zugehörig sind. Seine favorisierten Sündenböcke müssen also für ihn direkt sicht- und greifbar sein. Das ist in etwa wie an der Tankstelle: Da der zahlende Kunde an die Ölmultis und sonstigen eigentlich Verantwortlichen nicht rankommt, bekommt eben der unschuldige Kassierer dessen Zorn über die aktuelle Benzinpreiserhöhung ab.
Besonders "die Ausländer" und "die Arbeitslosen" stellen für viele Deutsch-Menschen die als am besten geeignet erscheinenden Sündenböcke dar. Dieses nicht zuletzt auch dank intensiver Beeinflussung durch jahrelanges gezieltes hegen und pflegen entsprechender Negativ-Klischees und das bewusste schüren von althergebrachten Stammtisch-Vorurteilen durch gewisse Politiker und Medien. Als standesbewusster Deutsch-Mensch spricht er über solche Nicht-Deutsch-Menschen zudem gern in der dritten Person: Anreden wie "Die da" und "So einer/So einen" helfen ihm zudem immer wieder dabei, sich selbst die eigene Zugehörigkeit zur "Wir hier - Die da"-Fraktion zu bestätigen sowie für die anderen Mit-Deutsch-Menschen deutlich erkennbar von diesen Deutsch-Mensch-unwürdigen Gruppen abzugrenzen.
Da diese "Sündenbock-Marotte" hierzulande eine jahrhundertealte traurige Tradition mit teils furchtbaren Folgen für die jeweils auserkorenen Sündenböcke vorzuweisen hat, dürfte sie sich mittlerweile in Form eines "Sündenbock-Syndroms" als regelrechter innerer Zwang im deutsch-menschlichen Hirn eingenistet haben.

Seine ihm angeborene oder auch anerzogene Angst, bei entsprechendem Fehlverhalten weiter "oben" evtl. anzuecken, lässt den Deutsch-Menschen an einer intensiveren Beobachtung politischer und gesellschaftlicher Vorgänge, Entwicklungen, Entscheidungen und Hintergründe eher nur leicht interessiert bis komplett desinteressiert sein. "Interessiert mich nicht. Ich will abends meine Ruhe haben, mich entspannen, mich unterhalten lassen und mich nicht mit diesem Mist beschäftigen. Die da oben werden schon wissen, was sie machen und was am Ende das Beste für uns alle ist!" - Punkt, Aus, Ende.
Darum ist der gewöhnliche Deutsch-Mensch von seiner politischen Grundausrichtung her auch nirgends so richtig einzuordnen. Er ist von allem ein bisschen, also eine Rechts-Mitte-Links-Mischung, wobei das Pendel bei bestimmten Themen gern etwas stärker nach rechts tendiert. So findet der Deutsch-Mensch z.B. Demokratie eine gute Sache. Und er selbst ist natürlich sowieso aus tiefster Überzeugung Demokrat. Dennoch ruft er zwischendurch ganz gern nach einem "starken Mann", der "hier mal wieder so richtig aufräumt".

Soziale Gerechtigkeit findet der Deutsch-Mensch extrem wichtig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Allerdings ist er nicht bereit, in Bezug auf die praktische Umsetzung dieser Gerechtigkeit mit sozial Schwächeren zu teilen bzw. etwas abzugeben. Fernerhin wählt er aus alter Gewohnheit immer die Parteien, die mit sozialer Gerechtigkeit nur wenig bis gar nichts (mehr) am Hut haben.
Ein weiteres Beispiel: Im Prinzip ist der Deutsch-Mensch für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, wählt aber stets aufs Neue die alten Parteien, die diesen nur maximal halbherzig oder auch gar nicht einzuführen gedenken. Diejenigen aber, die diesen Mindestlohn ernsthaft einführen wollen, bekommen seine Stimme aber auch hier wieder gerade nicht, weil die nun mal ansonsten nicht ausreichend deutsch-menschlich und von daher einfach "Bäh" sind. Außerdem wird im Fernsehen, im Radio und in der Zeitung immer wieder von sog. "Experten" vor denen gewarnt und ausdrücklich betont, dass die unwählbar sind. Weil das nämlich schlecht für die Wirtschaft und somit für die gesamte Bevölkerung sei, wenn die zu viele Stimmen bekämen und darum etwas mehr zu sagen hätten - sagen die Experten. Und dann wählt WählerIn Deutsch-Mensch die auch nicht. Eben weil das all diese ach so "klugen" Köpfe immer wieder sagen. Oder weil´s andauernd genau so in der Zeitung steht. Oder im Fernsehen gesagt wird. Oder im Radio. Und die müssen das schließlich wissen.

Der Deutsch-Mensch zieht es, nicht selten aus Bequemlichkeitsgründen, sowieso vor, sich seine Meinung BILDen zu lassen. Das ist nun mal nicht so anstrengend, als sich selbst seinen Kopf machen zu müssen. Und einfache Schlagzeilen, knappe Schlagworte und simple, die niederen Instinkte stimulierende Presseartikel und TV-Berichte passen eh viel besser zu seiner bzw. in seine einfache kleine Welt. Sich aus verschiedenen Quellen zumindest ab und zu mal ein wenig umfangreicher zu informieren, das ist für den Bewohner dieser einfachen kleinen Welt viel zu umständlich und kompliziert.
Von den einschlägig bekannten Hauptnachrichtensendungen und politischen Plapperrunden im Fernsehen fühlt sich unser Deutsch-Mensch sowieso und generell bestens, ausführlich und umfassend informiert. Und schon ist er das perfekte Opfer für entsprechende Manipulationen im Sinne daran interessierter und davon profitierender Kreise. Auf die Idee, dass derartiges auch in der hiesigen Medienlandschaft an der Tagesordnung ist, kommt er nämlich gar nicht erst. Das würde ja schließlich seine kleine Welt erschüttern und davor hat er - auch hier wieder - schlicht und einfach Angst. Und so lässt sich unser Deutsch-Mensch mit Begeisterung gegen bestimmte Bevölkerungsschichten - unter Umständen aber auch gegeneinander - aufhetzen und ausspielen, ohne dass er es überhaupt bemerkt. Oder er bemerkt es in seinem Hinterstübchen schon irgendwie, macht aber trotzdem mit. Weil er ja schließlich auch weiterhin "dazu" gehören will.

Höchste Bewunderung und Anerkennung zollt der Deutsch-Mensch "höhergestellten" Persönlichkeiten, die in den Augen und Ohren führender Medien und somit automatisch auch in den seinigen mutig vermeintlich unbequeme Wahrheiten offen an- und aussprechen. Erst recht, wenn diese "Wahrheiten" sein mühsam selbst zurecht gezimmertes oder von anderer Stelle eingepflanztes Welt- und Nicht-Deutsch-Menschenbild bestätigen. Als aufmerksamer Zuhörer seines persönlichen "Wahrheits-Apostels" begründet der Deutsch-Mensch die Weiterverbreitung dieser "Wahrheiten" mit einem vorwurfsvoll betonten "Das wird man in diesem Land ja wohl noch sagen dürfen!".
Auch wenn noch so krude Thesen unters Volk gebracht werden und diese nach und nach hieb- und stichfest widerlegt werden - auf seinen "unbequemen Wahrheitsverkünder" lässt der Deutsch-Mensch nichts kommen. Je stärker dieser "Wahrheits-Heiland" samt seiner "unfrohen Botschaft" von der Gegenseite argumentativ in die Enge getrieben wird, desto kleinkindartiger reagiert der Deutsch-Mensch darauf. Bockig und trotzig mit fest auf den Boden aufstampfenden Fuß verteidigt der Deutsch-Mensch sein angehimmeltes Idol in wackerer "Jetzt erst recht"-Manier: "Und er hat trotzdem Recht... so, ätsch!".
Der Deutsch-Mensch neigt halt sehr dazu, nur das zu sehen, zu lesen und zu hören, was er sehen, lesen und hören will - und das muss nun mal unbedingt in seine bereits erwähnte Deutsch-Menschen-Sichtweise passen. Und wenn´s denn ggf. mal nicht so ganz passen sollte, dann wird´s halt passend gemacht.

Ein hohes und schützenswertes Gut ist dem Deutsch-Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Allerdings gesteht er dieses Recht hauptsächlich nur sich selbst und denjenigen zu, die seine eigene Meinung teilen. Andersdenkenden und Andersmeinenden würde er dagegen am liebsten den Mund verbieten (lassen). Sehr schön beobachten kann man das in den Kommentarbereichen der online-Ausgaben unserer sog. Leit- und Qualitätsmedien sowie in denen der diversen Internetforen und Blogs mit politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Themenschwerpunkten. Hartnäckig Andersmeinenden wird da im Extremfall von dem einen oder anderen "aufrechten und anständigen" sowie bedingungslos für die Meinungsfreiheit eintretenden Deutsch-Menschen via Tastatur auch schon mal körperliche Gewalt angedroht, wenn diese - seiner lediglich aus dem bisher Geschriebenen gewonnen Erkenntnis nach -"linken Spinner nicht endlich ihre verdammte Fresse halten".
Auf die gleiche Art verfährt der Deutsch-Mensch dann konsequenterweise auch im Umgang mit dem Begriff "Toleranz".

Im Alltagsleben erkennt man den durchschnittlichen Deutsch-Menschen an bestimmten, ihm eigenen Verhaltensmustern. Er geht außerhalb seiner Behausung häufig mit leicht vorgeneigtem Oberkörper und Kopf einschließlich gesenkten Blicks durch die Landschaft. Nicht wenige Exemplare latschen auch mit hängenden oder nach unten durchgedrückten Schultern, so als ob sämtliche Lasten dieser Welt auf ihnen ruhen würden, durch die Gegend. Wieder andere Vertreter dieser Spezies bevorzugen beim außerhäuslichen gehen auch beide Varianten gleichzeitig. Deutsch-Mensch versucht dazu auch stets, seinen Mit-Deutsch-Menschen gegenüber so angepasst und dadurch so unauffällig wie nur möglich zu erscheinen.

Der Deutsch-Mensch ist ein gnadenloser Verfechter von Recht und Ordnung. Der Deutsch-Mensch hat immer Recht, ist immer im Recht und sowieso hat er auf alles ein, nämlich sein, "gutes Recht". Und so verhält er sich dann auch, egal ob beispielsweise im Berufsleben, im nachbarschaftlichen Verhältnis, im Einkaufsmarkt oder im Straßenverkehr. Treffen zwei Deutsch-Menschen aufeinander, die bei Differenzen untereinander beide vermeinen, Recht zu haben oder im Recht zu sein, wird mit harten Bandagen gekämpft, um auf Teufel komm´ raus das vermeintliche eigene "gute Recht" durchzusetzen. Notfalls werden, falls auf herkömmlicher zwischenmenschlicher Kommunikationsebene keine beiden gerecht werdende Lösung gefunden werden konnte oder wollte, selbst wegen Lappalien gerichtliche Wege bis zur allerletzten Instanz beschritten.
Der Deutsch-Mensch neigt des weiteren dazu, anderen vorschreiben zu wollen, wie diese zu leben hätten, wieviel Geld ihnen für was monatlich zustehen würde und wofür diese anderen jenes Geld auszugeben hätten bzw. wofür nicht. Das sei nämlich sein gutes Recht, denn er als schwer schuftender Steuerzahler würde schließlich diese "ganze Schmarotzerbande" ganz allein mit durchfüttern. Unter Verwendung dieses Arguments macht er sich dann auch immer wieder mal so seine eigenen Gedanken, wie "der Staat diesem faulen Pack hier bei uns und da unten in Südeuropa endlich mal so richtig Feuer unterm Arsch machen" könnte. Beim ausdenken von Repressalien gegen diese von ihm abgrundtief verachtetenden Nicht-Deutsch-Menschen ist er recht erfindungsreich und als von seinen eigenen Vorschlägen Nicht-Betroffener dabei selbstverständlich auch ziemlich rigoros, gelegentlich auch radikal. Aber auch das ist ja bekanntlich "sein gutes Recht".

Weiterhin ist der Deutsch-Mensch ein unverbesserlicher Nostalgiker. Manch heutzutage als eigentlich überholt geltende bzw. als längst überwunden geglaubte alte Tradition aus 2. und 3.Reich pflegt er auch heute noch unverdrossen: Obrigkeitshörigkeit, Untertanengeist, Pflichtbewusstsein/Pflichtgefühl, Gehorsamkeit, Zucht, Ordnung und Disziplin, Übereifer und Gründlichkeit z.B.
Wenn der Deutsch-Mensch also etwas macht, dann macht er das gründlich. Und wenn dabei, natürlich nur den allgemeinen Umständen geschuldet, menschliche Sauereien vorkommen sollten, dann werden die ebenfalls gründlich erledigt, das aber noch besonders. Und wenn er was besonders gründlich versaut hat, dann hat der Deutsch-Mensch damit einfach nur seine Pflicht getan. Außerdem hat er sich beim versauen stets an gerade geltendes Recht, rechtsgültige Gesetze sowie an zusätzlich erlassene Erlässe, Verordnungen, Bestimmungen und an ex- und interne Dienstanweisungen gehalten. Und von den ganzen Schweinereien, die in Wahrheit dahintersteck(t)en, hat er sowieso nie etwas gewusst geschweige denn überhaupt ahnen können. Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps, Pflicht ist Pflicht, Befehl ist Befehl, Gesetz ist Gesetz. Dazwischen gibt es nichts, basta! Also komme man bloß nicht oberklugscheißerisch mit solch widernatürlichen Sachen wie Handlungs- und Ermessensspielraum oder gar Humanität und Gewissen daher!
Man kann also davon ausgehen, dass die Hege und Pflege der oben genannten Traditionen den Deutsch-Menschen zumindest vorübergehend blind und taub machen können. Aber das empfindet er nicht zwingend als unangenehm, vor allem dann nicht, wenn er mal wieder was besonders gründlich versaut hat und sich dafür verantworten soll.
In seinem Übereifer tendiert der Deutsch-Mensch zusätzlich zu vorauseilendem Gehorsam. Hierbei schlägt er dann auch schon mal etwas stärker über die Stränge, was sich besonders auf Nicht-Deutsch-Menschen auf recht unangenehme Weise auswirken kann. Aber auch hierbei geht es dem Deutsch-Menschen letzten Endes lediglich darum, bei der praktischen Umsetzung des jeweils geltenden Rechts und Gesetzes pflichtgemäß behilflich zu sein. Ist selbstverständlich auch hier alles nichts persönliches und schon gar nicht bös´ gemeint!
Durch diesen Nostalgiefimmel in seiner allgemeinen Wahrnehmung beeinträchtigt ist es für den Deutsch-Menschen sehr schwierig, aus Fehlern der Vergangenheit die richtigen Schlüsse zu ziehen oder gar daraus zu lernen. In der Regel merkt er nämlich gar nicht, dass er dieselben Fehler wie einige Jahrzehnte zuvor erneut begeht. Diese begeht er dann allerdings schon in einer dem jeweiligen Zeitgeist angepassten "modifizierten" Form.

Der Deutsch-Mensch ist ein glühender Verfechter der sog. christlich-abendländischen Kultur sowie der christlichen Wertegemeinschaft. Von aus anderen Kulturkreisen oder Religionsgemeinschaften entstammenden und/oder diesen zugehörigen Mitbewohnern "seines" Landes verlangt er deshalb auch stets, diese mögen sich gefälligst an genau diesen Werten orientieren und sich ihnen unterordnen bzw. anpassen. Das er es mit der praktischen Umsetzung jener ach so viel beschworenen christlichen Werte selbst nicht gar so genau nimmt, das merkt er in der Regel allerdings nicht. Mit dem eigenen vorleben und umsetzen ur-christlicher Werte wie Demut, Bescheidenheit, Nächsten- und Feindesliebe, Barmherzigkeit und ähnlichem tut er sich in seinem Alltagsleben gewöhnlich sehr schwer. Nur zur Weihnachtszeit, da wird er dann doch ein bisschen sentimental und pflegt daheim 3 Tage lang die Besinnlichkeit.
Die eine oder andere neutestamentliche Passage hat der Deutsch-Mensch aber durchaus verinnerlicht. So sieht er stets den Splitter im Auge des anderen, übersieht aber den oftmals gewaltigen Balken im eigenen Guckerchen (dieser Vergleich wurde später auch in Form von "den Schmutz vor der Haustür des anderen wahrnehmen, den Dreck vor der eigenen jedoch nicht sehen" ein wenig aufgepeppt). Ferner beherzigt der christlich-abendländische Deutsch-Mensch unerschütterlich den - ebenso wie der vorangegangene - dem unfreiwilligen Religionsgründer Jesus von Nazareth zugeschriebenem Satz "Ihr habt Augen und sehet nicht, und habt Ohren und höret nicht, und denket nicht daran". In neuerer Zeit werden als treffendes Symbol für dieses Verhaltensmuster die allseits bekannten 3 Affen verwendet. Gängige Kurzbegriffe für die vorgenannten Deutsch-Mensch-Religionspraktiken lauten auch "Scheinheiligkeit" und "Doppelmoral".

Der Deutsch-Mensch liebt schlechte Nachrichten und Katastrophen über alles - vor allem jene schlechten Nachrichten, die ihn persönlich nicht betreffen und die Katastrophen, die sich nicht gerade vor oder in der Nähe seiner eigenen Haustür ereignen. Gebannt schaut er im Fernseher auf die Bilder der Folgen von Erdbeben, Tornados, Hochwasser und ähnlicher Sensationen. Er verspürt dann oftmals ein inneres Glücksgefühl, das sich mit "Puh, zum Glück nicht hier" oder "Betrifft glücklicherweise nicht mich" recht gut umschreiben lässt. Im Allgemeinen ist der Deutsch-Mensch von heute zwar weitestgehend empathiebefreit, aber medialen Aufrufen zu großangelegten Spendenaktionen befolgt er schon ganz gern mal. Vor allem wenn er sich berechtigte Hoffnungen darauf machen kann, dass sein Name bei einer Fernseh-Spendengala auf einem Laufband durch den unteren Bildschirmrand huschen könnte, fühlt sich sein Spender-Herz aufgefordert, die Not "der armen Menschen da unten/da drüben" durch einen mehr oder weniger großen bzw. kleinen Betrag lindern zu helfen. Zum einen bekommt sein Gewissen dadurch eine Beruhigungspille verabreicht und zum anderen ist er, wenn sein Name durchs Bild rauscht, für 2 Sekunden im Fernsehen und somit prominent - auch wenn´s außer ihm kaum ein Zuschauer sonst mitbekommen hat. Die, die nichts gegeben haben und die, deren Name bereits erschienen ist, gucken da jedenfalls sowieso nicht bzw. nicht mehr hin.
Natürlich stürzt der edle Spender nach seinem Namensdurchlauf umgehend ans Telefon, um nahen Verwandten, engen Nachbarn und dicken Freunden diese gewaltige Neuigkeit mitzuteilen oder um gänzlich uneitel nachzufragen "Haste eben gesehen...im Zweiten...?".

Sportbegeistert ist der Deutsch-Mensch im allgemeinen wie viele andere Menschen weltweit auch. Insbesondere der Fernsehsport hat es ihm angetan. Und bei größeren Erfolgen in populären Mannschaftssportarten, aber auch in im Weltsport als "wichtig" angesehenen Einzelwettbewerben, ist er automatisch ebenfalls Deutscher Meister, Welt- oder Europameister, Olympiasieger, Wimbledonsieger oder Weltmeister im Kunstturnen geworden. Bei Damenerfolgen ist er dann folglich "...meisterin/...siegerin".
Bei Niederlagen hingegen haben das stets "die anderen" versaut. "Die" haben das vergeigt, "der/die ist ein Totalversager/eine Totalversagerin". Das sind dann eh alles Luschen und das die nichts reißen würden, das hat man ja sowieso schon vorher gewusst. Fernsehsport ist für Deutsch-Menschen jedenfalls echt ´ne feine  Sache.

Und überhaupt - eigentlich schimpft der Deutsch-Mensch ohne Unterlass über "sein" Land: Wetter, Steuern und Abgaben, Preise, Politiker und sonstige Menschen - alles Scheiße hier! Bei sportlichen Mega-Events hingegen beflaggt er eifrig Fenster, Balkon und fahrbaren Untersatz mit unterschiedlich großen Deutschland-Fahnen, schreit in den Stadien oder bei öffentlichen Riesenbildschirm-Übertragungen von Spielen "seiner" Mannschaft lauthals "Deutschland, Deutschland!" (sparsamere Exemplare bevorzugen die Variante "Schland, Schland!") oder singt zu einer äußerst simpel gehaltenen Melodie "Deutschlaaand, Deutschlaaand, Deutschlaaand, Deutschlaaand!".
Doch mittlerweile fordert der Deutsch-Mensch immer selbstbewusster, dass er auch außerhalb sportlicher Großereignisse seinen persönlichen Stolz auf "sein" Land und seine Zugehörigkeit als dessen Staatsbürger offen kundtun kann. Ansonsten motzt er aber munter weiter vor sich hin. Der Deutsch-Mensch liebt und beschimpft "sein" Land folglich gleichzeitig, aha.

Nach außen hin gibt sich der Deutsch-Mensch gern als weltoffen. Insbesondere bei sportlichen Welt-Großereignissen, für die "sein" Land als Ausrichter erwählt wurde, stellt er der Weltöffentlichkeit nur allzu gern diese seine Weltoffenheit weltöffentlich zur Schau. Er präsentiert sich als guter Gastgeber, nimmt Rücksicht auf die unterschiedlichen Mentalitäten, kulturellen und religiösen Besonderheiten seiner Gäste und feiert ausgelassen mit ihnen auf den landesweiten Straßen und Plätzen. Ist das Großereignis dann beendet wird die deutsch-menschliche Weltoffenheit jedoch erst mal wieder geschlossen und auf unbestimmte Zeit unter Verschluss gehalten.

Außerhalb "seiner" Landesgrenzen gilt der Deutsch-Mensch den dortigen Bewohnern schon seit ewigen Zeiten als eher humorloser Zeitgenosse, der zum Lachen extra in den Keller geht. Dieses Vorurteil stimmt aber nun wahrlich nicht. Zumindest in der Humordisziplin "Schadenfreude" verfügt der Deutsch-Mensch über ansehnliche Fähigkeiten. Ist er zufällig dabei, wie jemandem ein Missgeschick unterläuft, findet er das durchaus komisch. Ob nun jemand unfreiwillig stolpert, hin- oder irgendwo reinfällt, etwas verschüttet, sich bekleckert oder ähnliche Alltags-Stunts abliefert - der Deutsch-Mensch sieht´s, genießt´s und lacht sich eins. Je nach Veranlagung still in sich hinein, schmal oder breit grinsend oder ganz unverhohlen, frei, laut und offen aus sich heraus. Passiert dem schadenfrohen Deutsch-Menschen solch ein Missgeschick dummerweise selbst, dann findet er das allerdings gar nicht komisch. Und wenn ein anderer Deutsch-Mensch dieses Malheur mitbekommen hat und sich dazu auch noch erdreistet, darüber zu grinsen oder gar herzhaft zu lachen, dann kann so ein Freizeit-Stuntman ganz schön fuchtig werden. Einzige Ausnahme von dieser Regel: Eine aufgedrehte Frohnatur springt urplötzlich aus dem Gebüsch und brüllt: "Herzlich willkommen bei der `Versteckten Kamera´!" - dann strahlt der davon betroffene Deutsch-Mensch selbst nach dem peinlichsten Missgeschick sofort hell leuchtend über beide Backen.

In seiner ersten Lebenshälfte gibt der Deutsch-Mensch gern damit an, was er alles hat. Und das das alles sowieso viel größer, schöner und besser ist als das der seinem näheren Dunstkreis zuzuzählenden Deutsch-Menschen. Man kennt das z.B. aus der Fernsehwerbung: "Mein Haus, mein Garten, mein Auto, mein Boot!". Bei Garten und Auto muss dem  "größer, schöner und besser" aber unbedingt noch "gepflegter" angefügt werden!
Auch was die Urlaubsziele angeht findet ein munterer Wettstreit statt : "Wir fliegen dieses Jahr auf die Malediven!" "Pah, kenn´ wir schon. Wir werden uns darum mal´n bißchen auf Hawaii umsehen!".
Sehr gern protzen die jungen bis mittelalten Deutsch-Menschen zudem damit rum, was und wieviel sie am Vorabend so alles gesoffen haben.
Mit Beginn der zweiten Lebenshälfte werden beim gegenseitigen sich überbieten dann zunehmend andere Prioritäten gesetzt: Wer hat sich mehr kaputt gearbeitet, wer hat die stärkeren Rücken- und Gelenkschmerzen, wer hat mehr körperliche Beschwerden oder (angebliche) Krankheiten. Und auch die berauschenden Getränke werden jetzt durch andere Genussmittel ersetzt. Stattdessen unterhält man sich nämlich nun vermehrt darüber, wer was für Tabletten und Tropfen einnehmen muss und wieviel davon am Tag.

Der Deutsch-Mensch ist ein Meister der Verstellung. Er redet nach außen hin so und nach innen denkt er dabei eigentlich ganz anders. Er preist unablässig seinen unbändigen Arbeitseifer, tüftelt aber zum Jahresende am Kalender für das neue Jahr unter peinlichst genauer Berücksichtigung der gesetzlichen Feiertage haarklein aus, wie er unter Verwendung möglichst weniger Urlaubstage möglichst viele freie Tage für sich rausschlagen kann (die sog. "Brückentage" eben).
Ebenso verkündet er voller Stolz jedem, der es hören oder auch nicht hören will, wie froh er ist, einen Arbeitsplatz zu haben, noch dazu einen so tollen, wo das arbeiten - auch wegen der Klasse-Kollegen - noch richtig Spaß macht. Abends in den eigenen vier Wänden dagegen klagt er gegenüber seiner Familie, wie ihm dieser Scheißjob immer mehr auf den Sack geht, was für ein Riesenarschloch sein Chef ist und was für Vollposten seine Kollegen sind.
Und geht ein Deutsch-Mensch in den mal mehr, mal weniger verdienten Ruhestand, so hört man ihn nicht selten sagen: "Gott sei Dank, geschafft! Endlich muss ich nicht mehr in diesem Scheißladen buckeln!". Die Jahre zuvor wurde aber auch er nicht müde, seine Arbeitsstelle stets zu rühmen und zu betonen, wie gern er dort jeden Tag hingehen würde.
Dann gibt es noch diejenigen, die allabendlich zuhause im familieninternen Kreis besonders mutig werden und ihrem dämlichen Chef am liebsten mal ordentlich die Fresse polieren würden. Tagsüber aber kommen diese selbsternannten Hobbyboxer aus dem Duckmäusern und ihrem Herrn und Gebieter gegenüber unentwegt Bücklinge machen gar nicht mehr raus: "Überstunden machen, Chef? Heute, Chef? Und unbezahlt, Chef? Aber klar doch, Chef, geht wie immer in Ordnung, Chef!", "Aber sicher doch, Chef, immer wieder gerne, Chef!", "Chef, stellen Sie sich vor...eben hab´ ich gehört, wie der Schulze zum Müller doch tatsächlich gesagt hat, Sie seien wahrhaftig eine echte Niete in Nadelstreifen!". Man kennt das ja zur Genüge.
Und wenn Chefchen sich an einem seiner besonders gönnerhaften Tage dazu herab lässt, der andächtig lauschenden versammelten Belegschaft ein uraltes Witzchen mit bodenlangem Rauschebart zum Besten zu geben, das nun sogar unser Möchtegern-Cheffressenpolierer einfach nur selten blöd und schon gar nicht witzig findet, dann lacht dieser trotzdem nach außen hin pflichtschuldigst und herzhaft, nach innen hingegen eher gequält darüber. Nicht selten lässt er dazu als kriecherische Untermalung ein "Mensch, Chef, der war wirklich absolute Spitzenklasse, den kannte ich noch gar nicht! Huahuahuaaaa!" vernehmen.
Bei deutsch-menschlichen Zeitgenossen wie ihm hier klaffen Anspruch und Wirklichkeit aber nun wirklich mehr als nur meilenweit auseinander...

Der Deutsch-Mensch schimpft offiziell bekanntlich mit Vorliebe über die seiner Auffassung nach "faulen Südländer". Inoffiziell jedoch, in seinem tiefsten und sicher verborgen gehaltenen Inneren, bewundert er sie heimlich und wünscht sich nicht selten, auch er würde über diese, seiner Auffassung nach bestimmt "angeborene", Fähigkeit verfügen, alles auch mal etwas ruhiger und gelassener anzugehen. Einfach mal alle Fünfe gerade sein lassen, leben und leben lassen, nicht alles so verbissen sehen, dem "Komm´ ich heut´ nicht, komm´ ich morgen" frönen...hach. Aber wie gesagt - das nur stets still vor sich hin. Nach außen hin verteufelt er solch eine Lebensauffassung natürlich regelrecht. Nun ja, er ist nun mal ein Deutsch-Mensch und möchte unbedingt auch weiter "dazugehören"...

Der Deutsch-Mensch ist ein großer Meister im beklagen und bejammern sowohl der allgemeinen als auch seiner persönlichen, gar schrecklichen Zu- und Umstände. Allerdings betreibt er diese Tätigkeit bevorzugt im stillen Kämmerlein sowie im kleinen Kreise, umgeben von nur wenigen Personen seines uneingeschränkten Vertrauens. Zeigt mal einer aus diesem Mini-Kreis unerwarteterweise so etwas wie Kampfgeist - und sei es auch nur ein noch so winziges Fünkchen - und schlägt mögliche Aktivitäten vor, wie man evtl. gemeinsam etwas zur Änderung/Verbesserung eben dieser Zu- und Umstände unternehmen könnte, zuckt der Deutsch-Mensch nur gelangweilt mit seinen Schultern und bügelt das mit in sein eigen Fleisch und Blut übergegangenen Standardsätzen wie "Die da oben machen mit uns doch eh, was sie wollen", "Da kannste sowieso nichts machen/dran ändern" und "Da kommste als kleines Licht wie unsereins ja doch nicht gegen an" ab. Auf die Idee, das aus ganz ganz vielen kleinen Lichtern irgendwann ein einziger gewaltiger Scheinwerfer mit enormer Strahlkraft werden könnte, kommt er nun mal nicht. Die Ursache für diese Reaktion kennen wir aber bereits - die unüberwindliche und ganz spezielle Deutsch-Menschen-Angst mal wieder.
Der Deutsch-Mensch wartet bei allem angestauten Unmut lieber in sicherer Deckung weiter ab, was passiert, guckt zu und hofft darauf, dass andere irgendwann einmal vielleicht den Mut haben werden, um den ersten Schritt in Richtung eines öffentlichen lautstarken Protests am "System" zu wagen (das bewährte "Hannemann, geh Du voran"-Verhaltensmuster). Und falls wundersamerweise tatsächlich einmal derartiges geschehen sollte, wartet er vorsichtshalber noch weiter ab und zwar, wie´s ausgeht. Deutsch-Mensch muss ja schließlich ganz sicher gehen, ob die Sache letztlich wirklich Erfolg hat und das er selbst am Ende auf der richtigen, nämlich der Siegerseite und somit bei den "Guten", steht.

Ich weiß nicht, ob es so etwas wie einen allgemeinen "deutschen Volkscharakter" oder eine "deutsche Volksseele" gibt. Sollte es derartiges denn tatsächlich geben, dann dürfte manch Psychoanalytiker wohl seine helle Fach-Freude am undurchschaubar-widersprüchlichen Wesen des Deutsch-Menschen finden.

Soviel zum Allgemeinen und dem Objekt unserer Beobachtungen. In den kommenden Beiträgen wollen wir uns dann nach und nach anschauen, wie sich der "normale" Deutsch-Mensch in verschiedenen Alltagssituationen und bei seinen ganz alltäglichen Verrichtungen "in freier Wildbahn" auf die ihm eigene unnachahmliche Weise verhält. Trotz aller Kritik an seiner allgemeinen "Grundkonstruktion" muss ich aber gestehen, dass ich den Deutsch-Menschen dennoch irgendwie noch immer ein bisschen mag. Ich bin schließlich seit frühester Kindheit stets von dieser besonderen Gattung Mensch umgeben gewesen und geprägt worden. Und auch heute lebe ich ausschließlich von diesem Menschenschlag umzingelt vor mich hin. Wahrscheinlich habe ich gerade deswegen trotz allem noch immer einen Rest an Sympathie für diesen  drolligen Zweibeiner beibehalten. Und zugegebenermaßen ertappe auch ich mich trotz aller Selbstheilungsversuche ja immer noch ab und an höchstselbst dabei, dass ich gerade dabei bin, typisch deutsch-menschlich zu denken oder zu (re)agieren. Immerhin merke ich das inzwischen, wenn´s mir passiert, wenn auch nicht immer rechtzeitig. Das ist immerhin ein erster wichtiger Schritt zur Besserung, oder? So völlig wird man einige Grundzüge des in sich schlummernden Deutsch-Menschen-Naturells also wohl doch nicht los, dafür sitzen die Restbestände davon anscheinend zu tief und zu fest.

Wie wir in der Folge sehen werden lohnt sich die Beobachtung des Deutsch-Menschen in seiner vertrauten Umgebung aber vor allem aus einem ganz besonderen Grund: Sein stetiges Bemühen, so absolut "normal" zu sein, dass es fast schon wieder verrückt ist oder so verrückt zu sein, dass es fast schon wieder "normal" ist - oder umgekehrt - lässt den Deutsch-Menschen immer wieder zum großartigen Komiker mutieren. Dieses komische Naturtalent offenbart er dann allerdings zumeist unfreiwillig. Und so lautet das Fazit dieser Ausführungen: Gäbe es den Deutsch-Menschen nicht, so müsste er glatt erfunden werden. Mein persönlicher Alltag wäre ohne ihn jedenfalls nur noch halb so lustig - mindestens!

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